Wertanalyse im Betrieblichen Gesundheitsmanagement

  Die Gemeinkosten-Wertanalyse im Betrieblichen Gesundheitsmanagement

Wertanalyse im Betrieblichen Gesundheitsmanagement - C.U.P.-Institut
Wertanalyse im Betrieblichen Gesundheitsmanagement - C.U.P.-Institut

Vorbemerkungen

Wir prüfen, ob das Instrument der Wertanalyse grundsätzlich und - falls ja - mit welchen Abwandlungen dazu geeignet ist, innerhalb der Aufbau- und Ablauforganisation sowie bei unternehmens-internen Prozessen zur Herstellung von Produkten oder zur Bereitstellung von Dienstleistungen gesundheitsbelastende Risiken bei Mitarbeitern zu analysieren, zu bewerten und auf diesen Erkenntnissen aufbauend verbesserte, gesundheitsschonendere Organisationen in den Unternehmen zu installieren.


Der Versuch einer Zusammenführung von Wertanalyse und betrieblicher Gesundheit unter dem Themendach der Organisationsdiagnose bedeutet nicht zuletzt deswegen eine kleine Herausforderung, weil das Instrumentarium der Wertanalyse und der grundsätzlich ähnlich aufgebauten, zum Beispiel von McKinsey verwendeten Gemeinkostenwertanalyse (GWA), die primär auf Kostensenkung abzielen, nicht unbedingt einen humanistischen Ansatz darstellen und nicht unbedingt in dem Ruf stehen, besondere Rücksicht auf die Belange und Bedürfnisse der Mitarbeiter zu nehmen und nachhaltig zu sein. Oft wird die GWA sogar als Jobkiller bezeichnet.


Der für dieses Thema verantwortliche Grundgedanke war die Frage, ob unter Veränderung der üblichen Zielsetzung der Wertanalyse, nämlich von der Kosteneinsparung bei Produkten, Dienstleistungen und Verwaltungsvorgängen hin zur Reduzierung von gesundheitlichen Belastungen der Mitarbeiter der Prozess der sehr wirkungsvollen Wertanalyse grundsätzlich benutzt werden kann. 


Wenn ja, hätte man ein sehr leistungsfähiges Instrumentarium zur Hand, die gesundheitlichen Risikobereiche über die für die Wertanalyse typische Funktionsanalyse und den systematischen Lösungsprozess transparent zu machen und substantielle Verbesserungen zu entwickeln.

Damit könnten viele Unternehmen bei ihren noch nicht erfolgreich laufenden Aktivitäten zur Verbesserung der betrieblichen Gesundheit wirkungsvoll unterstützt und davon überzeugt werden, dass die deutlich weiter verbreiteten Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) vornehmlich an den Symptomen kurieren ohne die Ursachen zu beseitigen. Möglicherweise könnte damit auch der schwierige Einstieg in das Betriebliche Gesundheitsmanagement unterstützt werden.



Im Blickpunkt unserer Überlegungen stehen (exemplarisch und übertragbar für bzw. das  gesamte Gesundheitsthema) die psychischen Belastungen der Mitarbeiter in Unternehmen. Um unsere Überlegungen inhaltlich und in den Ausmaßen hier nicht zu überlasten, wird die sinnvolle und sehr zu begrüßende Integration der Wertanalyse in das Value Management notgedrungen nur in einigen wichtigen Aspekten behandelt.


Ausgangs-Situation

Die Themen der psychischen Belastungen und der psychischen Gesundheit finden, gefördert durch die öffentliche Diskussion und die gesetzliche Verppflichtung zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen und durch den Druck vieler Betriebsräte und der Probleme bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter, zunehmend Aufmerksamkeit in den Unternehmen und Institutionen, zumal die finanziellen Auswirkungen des Ausfalls durch Krankheitstage und des noch viel problematischeren Präsentismus von Jahr zu Jahr zunehmen und die finanziellen Verluste, die aus einer unzureichenden Mitarbeiterzufriedenheit resultieren, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können.


Die Maßnahmen der Unternehmen und Institutionen, diesen negativen Entwicklungen nachhaltig entgegenzutreten, sind in einigen wenigen Unternehmen beispielhaft („Great Place to Work“), in der Mehrzahl der Unternehmen aber noch nicht ausreichend ausgelegt und konsequent genug umgesetzt.

  • In den meisten Unternehmen sind für die Gesundheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz die Betriebsärzte zuständig, die aber in der Regel in der Frage der psychischen Belastungen überfordert sind.
  • Es werden vielfach Seminare eingesetzt, um die Stressfähigkeit und die Resilienz der Mitarbeiter (Verhalten) zu verbessern, meist jedoch ohne gleichzeitig auch die Rahmenbedingungen (Verhältnisse) in den Unternehmen kritisch zu überprüfen. Die Wirkungen dieser Maßnahmen sind in der Regel nicht wirklich problemlösend.
  • Viele Firmen etablieren das Instrument der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF), deren Wirkungen allerdings nicht besonders beeindruckend sind, weil sie nicht an den Ursachen ansetzen und vor allem diejenigen Mitarbeiter adressieren, die ohnehin schon ihr individuelles Gesundheitsmanagement betreiben.
  • Viele der installierten Gesundheitszirkel arbeiten wegen unklarer Vorgaben und begrenzter Zuständigkeiten nicht effektiv genug.
  • Das effektivste Instrument zur Sicherstellung von psychischer Gesundheit, nämlich das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM), wird von den meisten Unternehmen noch gemieden, da bei diesem Instrument auch und vor allen Dingen Komponenten wie Unternehmens-Philosophie, Unternehmens-Werte, elementare Organisationsabläufe und nicht zuletzt auch das Führungssystem auf den Prüfstand kommen, und Konsequenzen von größter Tragweite (ähnlich TQM oder Umweltschutz) verlangt werden.   

 

Möglicherweise kann die Wertanalyse, abgewandelt und angepasst an die Themen „Psychische Gesundheit“ und „Mitarbeiterzufriedenheit“, einen wertvollen Beitrag leisten. Genau das wollen wir prüfen.


Definition „Gemeinkostenwertanalyse (GWA)“
Die Gemeinkostenwertanalyse ist ein Instrument des Gemeinkostenmanagement, basierend auf der in USA entwickelten Methode der Overhead-Value-Analysis (OVA). Bei der Gemeinkostenwertanalyse (GWA) und ähnlichen Verfahren wie der administrativen Wertanalyse, der Gemeinkosten-Aufwand-Nutzen-Analyse (GANA) und dem Gemeinkosten-Systems-Engineering (GSE) handelt es sich um systematische Verfahren zur Kosten-senkung im Gemeinkostenbereich. Kosten und Nutzen der Leistungen ausgewählter Gemeinkostenbereiche werden untersucht, um Möglichkeiten zum Abbau nicht notwendiger Leistungen sowie zur rationelleren Leistungserbringung zu finden.


Arten der Wertanalyse
Es gibt, abhängig vom Wertanalyse-Objekt, zwei Arten von Wertanalyse, nämlich die Wertverbesserung und die Wertgestaltung:

  • Wertverbesserung: wertanalytische Behandlung eines bereits bestehenden Wertanalyseobjektes, eines Produktes, einer Dienstleistung oder einer Organisation
  • Wertgestaltung oder Wertplanung: Schaffen eines noch nicht bestehenden Wertanalyseobjektes

 

 


Typische Merkmale der Wertanalyse
Die Wertanalyse ist gekennzeichnet durch:


  • die Anwendungsneutralität: mit der Wertanalyse können Objekte jeder Art bearbeitet werden.
  • die Universalität: die Wertanalyse ist eine allgemeine Problemlösungstechnik, die dem menschlichen Problemlösungsverhalten angepasst ist.
  • die Heuristik: die Wertanalyse ist ein heuristisches Verfahren, welches nicht unbedingt gewährleisten kann, dass die beste Lösung gefunden wird.
  • den ganzheitlichen Betrachtungsansatz: es sollen die Interessen und Restriktionen aller betroffenen Bereiche sowie des Umfeldes berücksichtigt werden. Dazu gehören vorrangig die Befriedigung von Nutzerbedürfnissen, aber auch ökonomische und ökologische Reglementierungen durch den Staat, das Unternehmen oder allgemein geltende Normen und Werte.
  • die zielorientierte, strukturierte und nachvollziehbare Vorgehensweise entsprechend einem Arbeitsplan mit einzelnen Arbeitsschritten nach der DIN-Norm 69910; die der Situation und Aufgabe entsprechend angepasste Verwendung von unterschiedlichen Werkzeugen und Arbeitstechniken
  • die Projektarbeit in einem bereichsübergreifend zusammengesetzten Team unter Anleitung eines methodisch erfahrenen Moderators
  • die Funktions- ,kosten- und werteorientierte Produkt- und Prozessbetrachtung
  • die getrennte Durchführung von Analyse, Ideengenerierung, Konzeptbewertung, Entscheidung und Umsetzung

 

Eines der wichtigsten Charakteristika der Wertanalyse ist das Denken in Funktionen und deren Wirkungen, die im Mittelpunkt der wertanalytischen Untersuchung stehen. Es werden systematisch die Funktionen eines Produktes, eines Einzelteils, einer Dienstleistung, einer Aufbauorganisation oder eines Organisations- oder Verwaltungsablaufes abgefragt:

  • Zweck der Funktion: Loslösen vom vorgefundenen Ist-Zustand. Die Beschreibung soll stets beim Objekt als Ganzem beginnen. Sie ist besonders bei komplexen Wertanalyse-Objekten sinnvoll, um die Übersicht zu verbessern, die Funktionszusammenhänge zu erkennen, die Funktionsbewertung zu erleichtern, damit bereits zu diesem Zeitpunkt das Erkennen von Lösungsmöglichkeiten systematisch gefördert werden kann. Funktionen sind hersteller-orientiert und abnehmer-orientiert. Der Kunde kauft also in erster Linie Funktionen.
  • Funktionenarten: Unterscheidung in Gebrauchsfunktionen und Geltungsfunktionen, also Aufteilung der Funktionen in technische und vom Prestige abhängige Aufgaben. Gebrauchsfunktionen: erforderlich zur technischen und wirtschaftlichen Nutzung des Wertanalyse-Objektes; Geltungsfunktionen: Erfüllung geschmacklicher oder prestigeorientierter Ansprüche, Prüfung der Berechtigung des Kundenwunsches nach dieser zusätzlichen Funktion
  • Funktionsklassen: Differenzierung nach Haupt- und Neben- oder Hilfsfunktionen, Hauptfunktionen kennzeichnen die eigentlichen Hauptaufgaben oder den Verwendungszweck des Untersuchungsobjektes. Ihre Erfüllung ist unerlässlich. Nebenfunktionen kennzeichnen weitere notwendige Aufgaben, die dazu beitragen müssen, die Hauptfunktionen zu erfüllen (Ergänzungsfunktion zur Erfüllung der Hauptfunktion). Die Nebenfunktionen sollten weitgehend eliminiert oder durch Zusammenfassung auf ein Mindestmaß zurückführt werden. Unnötige Funktionen sind nicht erforderliche, aber Kosten verursachende Funktionen und müssen daher beseitigt werden.

 

Ziele der Wertanalyse

Das oberste Ziel der Wertanalyse ist die Optimierung der Unternehmensergebnisse und des Unternehmenswertes. Dies soll erreicht werden durch kostengünstigere Produkte, verbesserte Prozesse und Dienstleistungen. Ziel eines jeden Wertanalyse-Projekts ist es, ein Produkt, einen Prozess oder eine Dienstleistung dahingehend so zu optimieren, dass das geforderte Leistungsprofil nach dem ökonomischen Prinzip zu den geringstmöglichen Kosten ohne Einschränkungen im Hinblick auf Qualität, Zuverlässigkeit und Marktfähigkeit erreicht wird. Demnach sind die klassischen Ziele von Wertanalyse-Projekten:

  • Vereinfachung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen ohne Vernachlässigung der vom Markt/vom Unternehmen geforderten Funktionen
  • Produktivitätssteigerung durch die Eliminierung unnötiger Funktionen oder Funktionsschleifen
  • Kostensenkung durch die Beseitigung kostenverursachender und vom Markt nicht honorierter Überfunktionen 
  • Qualitätsverbesserung durch gezielte Verbesserungen der Funktionserfüllung 
  • Effizienterer Einsatz von Mitarbeitern und Maschinen/Anlagen
  • Arbeitsvereinfachung

 

Zwischenresümee

Wenn man sich die Definition, die Ziele und die typischen Merkmale der Wertanalyse vor Augen hält, spricht aus unserer Sicht bisher rundsätzlich nichts dagegen, die Wertanalyse zur Überprüfung, Bewertung und Verbesserung von Aufbau- und/oder Ablauforganisation mit dem Ziel der Minimierung von psychischen Belastungen einzusetzen. Besonders interessant ist dabei das Element der Funktions-Analyse. So kann ein bestimmter Organisations- und Verwaltungsablauf, z.B. Bearbeitung von Reklamationen, in der Form eines Funktionsbaumes (optisch ähnlich der Netzplan-Technik) bis in das letzte Detail in die verschiedenen Funktionsarten zerlegt werden.


Die dabei u.a. entstehenden Fragen lauten dann:


  • Welche Funktion innerhalb des zu überprüfenden Organisationsablaufes erfüllt dieser oder jener Teil-Schritt?
  • Handelt es sich bei einem bestimmten Teil-Schritt innerhalb des Organisationsablaufes um eine Hauptfunktion, eine Nebenfunktion, eine Hilfsfunktion, eine Geltungsfunktion oder gar um eine unnötige Funktion?
  • Welche psychischen Belastungen in Qualität und Quantität entstehen aus den einzelnen Teil-Schritten bzw. der Funktionen? Anmerkung.: zur elementar wichtigen Quantifizierung der psychischen Belastungen kann ein Kennziffernsystem oder ein Idealwert/Grenzwert mit entsprechenden Abweichungen nach oben und unten gewählt werden)
  • Wie kann ein bestimmter Teil-Schritt mit weniger psychischer Belastung die geforderte Funktion erreichen?
  • Wie können systematisch Verbesserungen der Teilschritte im Hinblick auf die psychischen Belastungen gesucht und entwickelt werden?

 


Da Organisationsabläufe oftmals über längere Zeiten gewachsen sind und möglicherweise ihren jeweiligen Sinn/Wertbeitrag mit der Zeit verloren haben, da Organisationsabläufe nicht selten „überdesignt“ und verkompliziert sind, da Schnittstellen und organisations-interne Übergänge oft nicht optimiert sind, kann davon ausgegangen werden, dass über die Wertanalyse nicht nur gesündere, sondern auch effizientere Organisationsabläufe geschaffen werden können. Über die Wertanalyse/Gemeinkostenwertanalyse können ohne Vernachlässigung der vom Markt/vom Unternehmen geforderten Funktionen üblicherweise Kosteneinsparungen von 15-25% generiert werden. Es spricht eigentlich nichts dagegen, dass über den Einsatz der Wertanalyse vergleichbare Reduzierungen der psychischen Belastungen und Verbesserungen der Mitarbeiterzufriedenheit erzielt werden können.

Nutzen der Wertanalyse
Die Erfahrungen mit Wertanalyse-Projekten sind, wenn sie professionell und konsequent durchgeführt werden, überwiegend positiv. Der Nutzen zeigt sich vor allen Dingen in folgenden Bereichen:

  • Die durchschnittlichen direkten Kosteneinsparungen erreichen eine Größenordnung von 15-20%, oftmals sogar wesentlich mehr.
  • Dieser Effekt verbessert nicht nur die Gewinn-Marge, sondern auch die Wettbewerbs-fähigkeit von Produkten und Dienstleistungen, im Wesentlichen durch die verbesserte Funktionserfüllung und/oder den Abbau von nicht nachgefragten/vom Markt nicht honorierten Überfunktionen und den daraus resultierenden Möglichkeiten der Preissenkung.
  • Wertanalyse-Projekte gehören, wenn man einmal von der GWA absieht, zu den spannendsten und motivierendsten Team-Projekten überhaupt, auch weil sie meistens erfolgreich sind, handfeste Ergebnisse generieren und Raum für Kreativität bieten.
  • Der Lerneffekt für Mitarbeiter, die in Wertanalyse-Projekten arbeiten, ist erheblich: die Mitarbeiter lernen das Denken in Funktionen, Abhängigkeiten und Wirkungen und verbessern ihr Prozess- und Systemverständnis.

 

Erfolgsfaktoren der Wertanalyse
Es gibt wichtige Voraussetzungen für das Funktionieren der Wertanalyse, von denen hier einige genannt werden sollen:

  • Zu Projektbeginn müssen die Ziele, Termine und Meilensteine klar definiert und quantifiziert werden.
  • Die Quantifizierung von beispielsweise bestimmten Funktionen oder Verbesserungsvorschlägen spielt eine entscheidende Rolle (notfalls muss mit Annahmen gearbeitet werden).
  • Von entscheidender Bedeutung sind die Möglichkeit und Bereitschaft der Mitarbeiter/ Teammitglieder, sich mit ihrem spezifischen Fachkenntnissen aktiv in das Wertanalyse-Projekt einzubringen. Hier gelten allgemein die Regeln der Teamarbeit, insbesondere was die Rollen, die Kommunikation und die Konfliktfähigkeit anbetrifft.
  • Im analytischen Teil der Wertanalyse geht es primär um das Hinterfragen der Wirkungen einzelner Funktionen, im lösungsorientierten, konzeptionellen Teil der Wertanalyse steht die Kreativität unter Zuhilfenahme von Kreativtechniken bei Berücksichtigung entsprechender Kommunikationsregeln (z.B. aktiv zuhören, keine Kritik vor der Bewertung) im Mittelpunkt
  • Es muss eine funktionierende Verankerung des Projekts, des Projektteams und der Methodik innerhalb des Unternehmens mit der erforderlichen Rückendeckung durch das Management erfolgen.

 

Der Arbeitsplan der Wertanalyse
Der zur Zeit am meisten in Deutschland verbreitete Arbeitsplan für die Wertanalyse ist der 6-Stufen Arbeitsplan aus der VDI 2800 (2000). Dieser wurde jedoch im Zuge der Normung auf europäischer Ebene im Jahr 2010 in der Aktualisierung der VDI 2800 Richtlinie erweitert. Kernstück der Methode bildet der anzuwendende Arbeitsplan. Das Orientieren an einem strikten Vorgangsplan (Arbeitsplan) hat den Vorteil der Transparenz für jeden direkt und indirekt Beteiligten.


Ablauf einer Wertanalyse unter dem Gesichtspunkt: Reduzierung der psychischen Belastungen von Mitarbeitern

Hier soll eine 1:1-Übertragung des Normalablaufs einer Wertanalyse nach der DIN-Norm auf eine spezielle Wertanalyse vorgenommen werden, deren Zielsetzung darin besteht, statt primär Kosten einzusparen, die gesundheitlichen Belastungen der Mitarbeiter zu reduzieren.


Es geht zunächst einmal um folgende Fragen:
•    Gibt es Leistungen, auf die man verzichten kann?
•    Können notwendige Leistungen belastungsärmer erbracht werden?
•    Können notwendige zusätzliche Leistungen ohne zusätzliche Belastungen erbracht werden?


Stufe 1: Projektvorbereitung
Die Belastungsbestimmungsfaktoren werden mit einer ABC-Analyse gruppiert: die Faktoren, die für 80 % der Belastungen verantwortlich sind, gehören der A-Gruppe an; die restlichen Belastungsbestimmungsfaktoren werden den Gruppen B und C zugeordnet. Die Wertanalyse sollte sich auf die A-Gruppe konzentrieren, denn dort ist das Entlastungspotenzial in absoluten Belastungswerten am größten.

Stufe 2: Objektsituation analysieren
In der Wertanalyse werden die Belastungen z.B. eines Organisationsablaufs ausschließlich auf dessen Funktionen bezogen. Funktionen im Sinne der Wertanalyse sind Zwecke, Aufgaben und Wirkungen von Objekten. In dieser Phase erfolgt die Funktionen- und Belastungsanalyse.

 

  • Funktionenbeschreibung: hier wird die Funktion des Organisationsablaufs beschrieben. Die Funktionenbeschreibung ist der Ausgangspunkt für die Ermittlung und für das Suchen von allen denkbaren Lösungen.
  • Funktionenarten: in diesem Schritt wird die Funktion des Organisationsablaufs in Teilfunktionen z.B. über einen Funktionsbaum zerlegt. Dabei werden die Gebrauchs-funktionen, also die Funktionen, die zur technischen und wirtschaftlichen Nutzung des Wertanalyse-Objektes unbedingt erforderlich sind, von den Geltungsfunktionen separiert, die die Gebrauchs- oder Nutzungsfunktion des Wertanalyse-Objektes nicht wesentlich beeinflussen, aber vom Kunden oder dem Unternehmen gewünscht werden. Wichtig ist auch, überflüssige Funktionen und Leistungen zu definieren, denn diese erhöhen möglicherweise nicht nur die Kosten, sondern auch die Belastungen.
  • Funktionenklassen: in diesem Schritt werden die Haupt- und Nebenfunktionen voneinander getrennt, also die unbedingt notwendigen von den nur mittelbar notwendigen bzw. den Hilfsfunktionen zur Erfüllung der Hauptfunktionen.
  • Funktionsbelastungen: die Funktionsbelastungen sind alle Belastungen im Bereich der Fertigung, der Montage, der Verwaltung etc., die zur Bereitstellung der Organisationsleistung notwendig sind. Sind diese Belastungen nicht nur für die betrachteten Funktionen anzusetzen, so sind sie anteilsmäßig zuzurechnen. Durch diese Funktionsbelastungsermittlung sollen Belastungsschwerpunkte erkannt und Belastungsvergleiche  ermöglicht werden. Mit einer Funktionsbelastungs-Matrix lässt sich ermitteln, welche Belastungsanteile auf die einzelnen Funktionen entfallen. Die Ergebnisse der Funktionsbelastungs-Matrix geben Aufschluss über das weitere Vorgehen der Wertanalyse.

 


Stufe 3: Soll-Zustand beschreiben
Für das Objekt werden Soll-Funktionen (exakte Funktionserfüllung - nicht Über- oder Untererfüllung - mit den geringstmöglichen Belastungen) ermittelt. Das sind Funktionen, auf die man nicht verzichten kann. Diese Soll-Funktionen werden danach mit den Ist-Funktionen verglichen. Dies hat eine Umformulierung des ökonomischen Prinzips zur Folge: Sicherstellung der geforderten Funktion mit den geringstmöglichen Belastungen.

Stufe 4: Lösungsideen entwickeln
Hier werden Lösungen gesucht, wie das Wertanalyse-Objekt alternativ zu gestalten ist, um die Soll-Funktionen mit den geringstmöglichen Belastungen realisieren zu können. Es können verschiedene Techniken der Ideenfindung eingesetzt werden, wie z. B. Brainstorming, Brainwriting, Delphitechnik, Morphologischer Kasten.

Stufe 5: Lösungen festlegen
In dieser Phase werden die Lösungen des vorigen Schrittes überprüft. Zunächst geht es um die Frage, ob die vorgegebenen Soll-Funktionen erfüllt werden. Anschließend erfolgt die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Ziel ist es, diejenige Lösung zu ermitteln, bei der die vorgegebenen Funktionen mit den geringstmöglichen Belastungen zu vertretbaren Kosten realisiert werden können.

Stufe 6: Lösungen verwirklichen und kontrollieren
Bei diesem Teilschritt werden die Lösungen ausgewählt, verwirklicht und die Resultate überprüft.

Fazit: der Ablauf einer Wertanalyse, ob mit dem Ziel, Kosten einzusparen oder mit dem Ziel, die psychischen Belastungen von Mitarbeitern zu reduzieren und die Mitarbeiterzufriedenheit zu verbessern, ist im Hinblick auf die Systematik, die Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen absolut identisch. Wenn überhaupt, müssen lediglich marginale Veränderungen/Verfeinerungen vorgenommen werden. Deutlich schwieriger als bei der normalen Wertanalyse ist allerdings die Quantifizierung von psychischen Belastungen oder Defiziten bei der Mitarbeiterzufriedenheit, auf die systembedingt nicht verzichtet werden darf (entsprechende Vorschläge wurden an anderer Stelle gemacht).

Resümee und Ausblick
Aus unserer Sicht ist die Wertanalyse ein brauchbares, vielleicht sogar ein sehr gutes Instrument, um einer der wesentlichen Ursachen für psychische Belastungen am Arbeitsplatz fundiert begegnen und die Mitarbeiterzufriedenheit verbessern zu können. So lässt sich das Instrument der Wertanalyse, weil es grundsätzlich universal einsetzbar ist, auch für andere Fragestellungen verwenden, zum Beispiel: wie können wir – statt einseitig Kosten zu sparen – die notwendigen organisatorischen Funktionen durch entsprechende Arbeitsabläufe so gestalten, dass eine möglichst hohe Mitarbeitermotivation oder Eigeninitiative erzeugt werden kann oder ein möglichst geringer Steuerungsaufwand notwendig wird? Oder auch: wie können wir organisatorische Funktionen durch entsprechende Arbeitsabläufe so gestalten, dass sie den Grundbedürfnissen der Menschen/Mitarbeiter gerecht werden (z.B. Bedürfnis nach Orientierung/Kontrolle, nach Bindung oder Selbstwerterhöhung)?


Aber es können nicht nur komplexe Organisationsstrukturen und Organisationsabläufe wertanalytisch bearbeitet werden, sondern beispielsweise auch einzelne Arbeitsplätze, Schnittstellen, die Personalentwicklung oder Führungsinstrumente.


Es ist zu hoffen, dass die Wertanalyse in der Organisationsdiagnose und Organisations-entwicklung ihren Platz als einen wichtigen Ansatz und leistungsfähiges Instrumentarium finden wird.


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